Der Verwertungstatbestand beim Wegzug aus Deutschland

Vorsicht Steuerfalle: Warum Arbeit für deutsche Kunden nach dem Wegzug teuer werden kann

Wer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, Deutschland also steuerlich „den Rücken kehrt“, unterliegt grundsätzlich nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Doch wer nach dem Wegzug weiterhin Einkünfte aus deutschen Quellen erzielt – etwa durch die Arbeit für deutsche Kunden oder Auftraggeber – kann dennoch in den Anwendungsbereich spezieller steuerlicher Vorschriften fallen. Eine davon ist der sogenannte Verwertungstatbestand nach § 49 EStG.

Was ist der Verwertungstatbestand?

Zur Definition des erforderlichen Inlandsbezugs von Einkünften eines beschränkt Steuerpflichtigen greift der Gesetzgeber in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 3, Nr. 4 Buchst. a und Nr. 6 EStG in verschiedener Ausgestaltung auf den Tatbestand der Verwertung zurück.

Der Verwertungstatbestand zielt auf Fälle ab, bei denen geistiges Eigentum oder persönliche Arbeitskraft eines Steuerpflichtigen nach seinem Wegzug aus Deutschland wirtschaftlich in Deutschland verwertet wird. Dies betrifft insbesondere:

  • Selbstständige (z. B. Freiberufler wie IT-Berater, Designer, Coaches), die nach dem Wegzug weiterhin für deutsche Kunden tätig sind.

  • Angestellte, die zwar physisch aus dem Ausland arbeiten, aber formal bei einem deutschen Unternehmen beschäftigt sind.

  • Personen, die Rechte oder Leistungen, die in Deutschland entwickelt oder aufgebaut wurden, nach dem Wegzug kommerziell in Deutschland nutzen.

Beispiel: Freiberufler mit deutschen Kunden

Ein deutscher Grafikdesigner zieht nach Dubai. Er ist dort steuerlich ansässig, arbeitet aber weiterhin auf freiberuflicher Basis für mehrere deutsche Werbeagenturen. Obwohl er physisch nicht mehr in Deutschland ist, können seine Einkünfte unter Umständen in Deutschland steuerpflichtig bleiben, wenn man davon ausgeht, dass seine kreative Leistung in Deutschland verwertet wird – also dort wirtschaftlich genutzt wird.

Beispiel: Remote-Angestellter

Ein Softwareentwickler zieht nach Georgien, bleibt aber bei seinem deutschen Arbeitgeber formal angestellt. Auch hier kann die deutsche Finanzverwaltung argumentieren, dass es sich um eine wirtschaftliche Verwertung in Deutschland handelt, mit der Folge einer beschränkten Steuerpflicht in Deutschland.

Nicht jede freiberufliche Tätigkeit fällt unter den Verwertungstatbestand

Wichtig ist: Nicht jede freiberufliche Tätigkeit mit deutschen Kunden löst automatisch eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland aus. Der Verwertungstatbestand setzt voraus, dass eine wirtschaftliche Nutzung der persönlichen Arbeitskraft in Deutschland erfolgt. In der Praxis gibt es aber viele Grauzonen und Ausnahmen.

Beispiele:

  • Ein freiberuflicher Rechtsanwalt lebt in Dubai und berät deutsche Mandanten zu Fragen des internationalen Wirtschaftsrechts – die Leistung wird ausschließlich aus dem Ausland erbracht und dort genutzt.

  • Eine Steuerberaterin in Malta betreut einen deutschen Mandanten bei seiner Wegzugsplanung nach Zypern – die Beratung erfolgt vollständig remote und ohne Bezug zu deutschem Steuerrecht.

  • Ein freier Lektor in Dubai bearbeitet Manuskripte für einen deutschen Kunden, die für die Veröffentlichung im internationalen Raum vorgesehen sind.

  • Ein IT-Berater in Zypern entwickelt über seine lokale Firma Softwaremodule, die ein deutscher Kunde lediglich in Produkte integriert, die nicht auf dem deutschen Markt angeboten werden.

In solchen Fällen kann der Verwertungstatbestand greifen – muss aber nicht. Die Beurteilung hängt stark vom Einzelfall ab: Art der Leistung, Vertragsgestaltung, Sitz der Kunden, tatsächliche Nutzung der Leistung, persönliche Präsenz in Deutschland usw.

Daher gilt: Lass unbedingt deine individuelle Situation von einem steuerlichen Berater prüfen, bevor du mit der Arbeit für deutsche Kunden vom Ausland aus beginnst. Nur so lassen sich spätere Konflikte mit dem Finanzamt vermeiden.

Gestaltungslösungen: DBA-Staaten und Kapitalgesellschaften

Ein praktikabler Weg, den Verwertungstatbestand zu vermeiden, besteht darin, nicht als natürliche Person selbstständig tätig zu werden, sondern über eine Kapitalgesellschaft in einem DBA-Staat zu operieren. Hintergrund:

  • Wird die Tätigkeit über eine ausländische Kapitalgesellschaft (z. B. Ltd. oder GmbH) ausgeübt, gilt dies in der Regel als gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft, nicht als persönliche Arbeitsverwertung der natürlichen Person.

  • In Staaten mit einem vollwertigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Deutschland – wie z. B. Zypern oder Malta – sieht das DBA typischerweise vor, dass nur der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft das Besteuerungsrecht hat, sofern keine Betriebsstätte in Deutschland besteht.

  • Damit fällt das wirtschaftliche Ergebnis (z. B. Gewinn aus Kundenprojekten) nicht unter die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland.

Beispiel: Deutscher IT-Berater in Zypern

Ein IT-Berater zieht nach Zypern, gründet dort eine zyprische Ltd., und arbeitet über diese Gesellschaft für seine deutschen Kunden. Solange er nicht selbst nach Deutschland reist, dort keine festen Einrichtungen oder Mitarbeiter hat und alle Verträge und Abrechnungen über die zyprische Ltd. laufen, greift der Verwertungstatbestand nicht. Deutschland hat in diesem Fall kein Besteuerungsrecht, da die gewerbliche Tätigkeit vollständig von einer ausländischen Gesellschaft ohne Betriebsstätte in Deutschland ausgeht.

Achtung: Substanzanforderungen

Die ausländische Gesellschaft sollte substantiell betrieben werden, um Zweifel an der tatsächlichen Geschäftsleitung oder einer „Briefkastenfirma“ zu vermeiden. Dazu gehören z. B.:

  • Lokales Büro oder Homeoffice

  • Lokales Bankkonto

  • Lokale Buchhaltung und Rechnungsstellung

  • Idealerweise auch lokal bezahlter Geschäftsführer oder administrative Unterstützung

Fazit

Der Verwertungstatbestand kann für Auswanderer, die weiterhin mit deutschen Kunden arbeiten, zu unerwarteter Steuerpflicht in Deutschland führen. Doch durch clevere Strukturierung über eine Kapitalgesellschaft in einem DBA-Staat wie Zypern oder Malta lässt sich dieses Risiko rechtssicher umgehen. Eine qualifizierte Beratung vor dem Wegzug ist unerlässlich – insbesondere zur Auswahl des richtigen Landes, zur Vermeidung einer Betriebsstätte in Deutschland und zum Aufbau steuerlicher Substanz im Ausland.

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