Pandora, Paradise & Panama: Steuerdaten Leaks seit 2013
In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu sogenannten “Leaks”, bei denen teils sehr umfangreiche Datenbestände zu geheimen Auslandskonten und steuerlichen Gestaltungen der Konzerne, Reichen und Berühmten "geleakt" wurden, also durch Insider und Whistleblower an die Öffentlichkeit gelangten. Auf diese Weise wurde immer wieder illegale, halblegale und manchmal auch nur vermeintlich illegale Kapitalbewegungen von Unternehmen und Privatpersonen ans Tageslicht gezerrt.
Perspektive Ausland Podcast: Taucht mein Name in den Pandora Papieren auf?
Vor kurzem widmeten wir eine Folge unseres beliebten Podcasts Perspektive Ausland. Zu Gast Catherine. Hören Sie jetzt rein.
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Die Praxis des "Leakens" von Daten mag es zwar schon länger geben, weltweite Aufmerksamkeit erreichte sie jedoch erst richtig im Jahr 2013 mit den sog. "Offshore-Leaks". In diesem Zusammenhang berichtete die Tagesschau am 04.04.2013: "Eine Billion Euro Steuergelder, 1000 Milliarden Euro, gehen dem Fiskus allein in Europa jedes Jahr durch "Steuerhinterziehung und Steuerumgehung."
Seitdem kam es immer wieder zu aufsehenerregenden Leaks, die sich teils zu Skandalen auswuchsen. Grund genug, sich einmal genauer anzusehen, worum es dabei jeweils im Einzelnen ging.
April 2013 - Die Offshore Leaks
Spektakulär dabei war insbesondere auch, dass der Umfang der Daten weit größer war als bei allen bisherigen Leaks. Die geleakten Dokumente beinhalteten Kundendaten von ca. 130.000 Personen aus zahlreichen Ländern. Darüber hinaus enthielten sie Informationen über die Beteiligung zahlreicher Großbanken. Im Wesentlichen ging es dabei um das lukrative Geschäft der Gründung und Verwaltung von Trusts an Offshore-Finanzplätzen.
Bereits 2010 lag amerikanischen, britischen und australischen Steuerbehörden eine Festplatte mit 400GB an Daten vor, aber erst drei Jahre später wurde eine weitere Festplatte mit 260GB bzw. 2,5 Millionen Dokumenten, die vermutlich einen Teil der diesen Steuerbehörden vorliegenden Festplatte darstellte, durch eine anonyme Person den Journalisten des Internationalen Konsortiums für investigative Journalisten (ICIJ) zugespielt.
Die Auswertung der riesigen Datenmenge erfolgte dann einerseits durch Journalisten ausgewählter Medien aus den USA, Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Andererseits und parallel aber auch durch die betroffenen Steuerbehörden, wobei nicht klar ist, warum diese wichtige Information von den Regierungen drei Jahre lang nicht öffentlich gemacht wurde.
Betroffen vom Leak waren insgesamt neun Steuerparadiese, und zwar die Britischen Jungferninseln, die Cayman Islands, Mauritius, Singapur, die Cook Islands, Samoa, die Seychellen, Hongkong und Malaysia.
Als Mittler dienten so ziemlich alle schwergewichtigen internationalen Banken, wobei sich nach Recherchen der Journalisten die Deutsche Bank besonders aktiv beteiligte, Personen bei der Steuerflucht zu unterstützen.
Das Magazin Focus, dem ebenfalls aus nicht bekannten Quellen eine Festplatte mit Daten aus den Offshore-Leaks zugespielt wurde, meldete, dass über 100.000 Personen aus Deutschland Geld in diversen Steuerparadiesen untergebrachten haben sollen. Aber auch international waren viele bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unter den Nutznießern der Bankendienste. Der im deutschsprachigen Raum bekannteste Fall war der von Gunter Sachs, dem aber, ironischerweise, später von den Schweizer Steuerbehörden bescheinigt wurde, alle Transfers legal abgewickelt zu haben.
Wieviel an Steuergeld den Staaten durch die Offshore-Leaks insgesamt verloren gegangen ist, darüber gibt es keine verlässlichen Quellen. Auch nicht für den Teil, der auf Deutschland entfällt. Dass es viele Milliarden gewesen sind, daran dürfte aber kaum ein Zweifel bestehen. Zeit zu einer vernünftigen öffentlichen Aufarbeitung blieb aber auch kaum, denn nur rund 18 Monate später bahnte sich schon der nächste Finanzskandal an.
November/Dezember 2014 - Die Luxemburg Leaks
Diesmal waren keine Privatpersonen beteiligt, die ihr Geld vor dem Fiskus in Sicherheit bringen wollten, sondern ausschließlich Unternehmen. Und nicht irgendwelche Unternehmen, sondern 343 Konzerne aus 82 Ländern, darunter so namhafte wie Apple, Amazon, eBay Europe S.à r.l., Heinz, PepsiCo, Ikea und, wen wundert es, die Deutsche Bank.
Was war passiert? Unter Vermittlung der renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hatte Luxemburg mit diesen 343 Konzernen zwischen 2002 und 2010 vertrauliche Steuervereinbarungen abgeschlossen, welche es diesen ermöglichte, ihre Steuern auf unter ein Prozent zu drücken.
Wieder waren Unterlagen, insgesamt 28.000 Seiten mit 548 verbindlichen Steuer-Vorbescheiden der Luxemburger Steuerbehörde an die Journalisten des ICIJ von Whistleblowern weitergegeben worden. Dies erfolgte in zwei Phasen, nämlich im November 2014 („Lux 1“) und Dezember 2014 („Lux 2“).
Die Auswertung und Veröffentlichung hatte jedoch keine juristischen oder finanziellen Folgen für die Beteiligten. Vielmehr wies Luxemburg darauf hin, dass die Praxis weitestgehend legal sei und auch andere EU-Staaten wie Großbritannien und Deutschland gleichartige Praktiken anwenden würden. Eigentlich ein Skandal für sich! Aber bis zum Nächsten sollten nur 8 Wochen vergehen.
Februar 2015 - Die Swiss Leaks
Hierbei handelte es sich um das bisher größte, öffentlich bekannt gewordene Datenleck in der Bankenbranche. Tausende vertraulicher Dokumente über eine Steuerermittlung zu Kunden der Genfer HSBC-Niederlassung wurden in Kopie der französischen Zeitung LeMonde zugespielt, welche sie wiederum an das Journalistennetzwerk ICIJ weitergab.
Diesmal allerdings ermittelten die Steuerbehörden intensiv und nur wenige Konten war den Steuerbehörden der betroffenen Länder vorher bekannt gewesen. Betroffen waren angeblich über 100.000 Kunden aus über 200 Ländern und ein Gesamtvolumen von rund USD 100 Milliarden.
Und Folgen hatte es diesmal auch für die betroffenen Steuersünder, zu denen wieder zahlreiche bekannte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, aber auch aus dem Bereich der organisierten Kriminalität zählten. Weltweit wurden durch die Datenauswertung Steuern und Strafzahlungen im Milliarden-Euro-Bereich eingetrieben.
Interessanterweise erhielten die Swiss-Leaks nicht allzuviel öffentliche Aufmerksamkeit. Ganz anders hingegen war dies ein gutes Jahr später...
April 2016 - Die Panama Papers
Diesmal ging es um Briefkastenfirmen, welche die global tätige, panamaische Rechtsdienstleistungsfirma Mossack Fonseca zwischen 1977 und 2018 für ihre Kunden gründete und verwaltete. Derartige Briefkastenfirmen können, neben legalen, zu illegalen Zwecken wie der Hinterziehung von Steuern, der Geldwäsche oder zur Umgehung von Sanktionen missbraucht werden. Und dies geschah auch in bisher unbekanntem Ausmaß.
Sagenhafte 2,6 Terabyte an Daten mit 11,5 Millionen Dokumenten wurden durch einen anonymen Whistleblower geleakt. Mossack Fonseca half offenbar mehr als 14.000 Kunden bei der Gründung von mehr als 214.000 Briefkastenfirmen in über 20 Steuerparadiesen weltweit.
Nachdem der Whistleblower die Daten bereits an mehrere Nachrichtenagenturen und auch WikiLeaks gesendet hatte, ohne Antwort zu erhalten, schrieb er einen Journalisten der Süddeutschen Zeitung an. Dieser reagierte und in der Folge wurden die Daten, erneut über das internationale Journalistennetzwerk ICIJ, schließlich veröffentlicht.
In den Skandal verwickelt wurden durch den Leak viele bekannte Personen, Organisationen und Unternehmen auf der ganzen Welt. Von China, über Island, bis Argentinien. Auch Deutschland war, nicht ganz überraschend, betroffen.
Zahlreiche Politiker, darunter ehemalige und amtierende Staats- und Regierungschefs sowie deren Verwandte und Freunde ebenso wie etliche Sportfunktionäre, Spitzensportler, Konzerne und allerlei zwielichtige Personen bis hin zu Drogenkartellen, Terroristen und paramilitärischen Gruppierungen scheinen direkt oder indirekt in Verbindung zu den Dienstleistungen der inzwischen aufgelösten Firma Mossack Fonseca direkt oder indirekt gestanden zu haben. Laut ICIJ haben auch über 500 Banken (incl. deren Tochtergesellschaften und Niederlassungen) rund 15.600 Briefkastenfirmen über Mossack Fonseca registriert lassen.
Auch hier spülten, allein in Deutschland, Ermittlungen und diverse Strafverfahren von Seiten der Behörden hohe zweistellige Millionenbeträge in die Staatskasse. Dennoch muss man hier davon ausgehen, dass nicht überall und gegen alle, deren Namen in den Panama Papers auftauchten, zu Ende ermittelt wurde. Das öffentliche Interesse ließ jedenfalls ziemlich schnell wieder nach. Möglicherweise auch deshalb, weil noch im gleichen Jahr der nächste Fall Schlagzeilen machte.
September 2016 - Die Bahamas Leaks
Am 21. September veröffentlichte wiederum das internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) fast eineinhalb Millionen Dokumenten aus dem Unternehmensregister der Bahamas, u.a. mit den Namen von Direktoren und Eigentümern von rund 175.000 Unternehmen, Stiftungen und Trusts, die dort zwischen 1990 und 2016 registriert wurden. Das ICIJ und seine Partnermedien fügen dem einen Haftungsausschluss hinzu, in welchem erklärt wurde, dass die Nutzung von Offshore-Konten nicht unbedingt illegal oder unrechtmäßig ist.
Der international prominenteste Name auf der Liste war wohl der der ehemaligen EU-Kommissarin für Wettbewerb, Neelie Kroes. Die Enthüllung kam für die EU-Kommission zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da gegen den ehemaligen Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso wegen seiner zu dieser Zeit aktuellen Tätigkeit bei der Investmentbank Goldman Sachs ermittelt wurde.
In Deutschland machten die Bahamas-Leaks vor allem deshalb Schlagzeilen, weil auch die BMW-Großaktionäre Susanne Klatten und Stefan Quandt sowie die deutsche Fußballlegende Uwe Seeler seit den Achtzigerjahren Gesellschaften in der karibischen Steueroase gemeldet hatten. Angemerkt muss hier werden, dass die Bahamas-Leaks, zumindest in Deutschland, keinerlei weiteren Folgen hatten, sieht man einmal von möglichen Imageschäden ab. Ähnlich glimpflich für die mehr oder weniger prominenten Vermögenden verlief auch der folgende Finanzskandal acht Monate später.
Mai 2017 - Die Malta Files
Nur kurz standen die Malta-Files im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Spannend daran war, dass Malta im Vorfeld vorgeworfen wurde, seine damalige EU-Ratspräsidentschaft auszunutzen, um den Kampf gegen Steuervermeidung durch besseren Datenaustausch auszubremsen. Dass das Daten-Leck dann ausgerechnet während der maltesischen EU-Ratspräsidentschaft 2017 publik wurde, muss daher nicht jeden überraschen. Ein politisch motiviertes Durchstechen der Dokumente scheint jedenfalls nicht ausgeschlossen.
Das Datenleck zeigte jedenfalls Abläufe auf, durch die internationale Konzerne Steuern in Milliardenhöhe vermeiden konnten. Aus Deutschland dabei unter anderem die Schwergewichte BMW, BASF ( mehr zu BASF Skandale ), Deutsche Bank, Puma, Merck, Bosch, K+S, Rheinmetall und die Lufthansa.
Dem Rechercheverbund European Investigative Collaboration, einem 2016 gegründeten Zusammenschluss von damals neun internationalen journalistisch tätigen Organisationen, wurden nach Angaben der belgischen Zeitung De Morgen 150.000 vertrauliche Dokumente zugespielt, die in der Folge durch verschiedene Medienhäuser ausgewertet wurden.
Schwerwiegende Auswirkungen oder Folgen hatte der Skandal im Übrigen nicht - anders als jener, der nur wenige Monate später folgen sollte.
November 2017 - Die Paradise Papers
Es handelte sich dabei hauptsächlich um geleakte Unterlagen der Anwaltskanzlei Appleby sowie des Treuhandunternehmens Asiaciti Trust, die der Süddeutschen Zeitung bereits im Jahr 2016 zugespielt wurden. Gemeinsam mit dem oft in solchen Fällen involvierten Journalistennetzwerk ICIJ wurden die Rechercheergebnisse jedoch erst Anfang November 2017 veröffentlicht. Die beteiligten Reporter werteten dabei insgesamt über 13 Millionen Dokumente aus.
Aus den geleakten Dokumenten wurde ersichtlich, wie Milliardäre und einige der größten internationalen Konzerne in tausenden von Fällen weltweit Steuervermeidung und Steuerhinterziehung betrieben und betreiben. Dies geschah im Wesentlichen mittels Geldwäsche und Verschleierung unter Nutzung von Offshore-Steuerparadiesen sowie durch Gründung von Briefkastengesellschaften.
In den Datensätzen tauchten die Namen von über 120 Staats- und Regierungschefs sowie von Politikern aus 47 Ländern auf. Hinzu kamen viele höchst prominente Persönlichkeiten wie die inzwischen verstorbene britische Königin Elisabeth II oder der mehrfache Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton. Aber auch zahlreiche deutsche Vermögende tauchen in den Paradise Papers namentlich auf, darunter z.B. die Familie Engelhorn, die u.a. Eigentümer des Pharmakonzerns Boehringer Mannheim ist. Der Prominenteste darunter dürfte jedoch der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sein.
Außerdem enthielten sie die bislang unbekannten Handelsregisterverzeichnisse von 19 (!) Steueroasen, darunter die der Bahamas, der Cayman Islands und Maltas. Und quasi als Sahnehäubchen fanden sich in den Paradise Papers Informationen zu verborgenen, fragwürdigen Firmenkonstrukten zahlreicher weltweit tätiger Firmen und Großkonzerne. Betroffen waren hier z.B. Apple, Walmart, Facebook, eBay, McDonald's, Twitter oder Nike. Und auch deutsche Großunternehmen waren mit Sixt, Deutsche Post AG, Siemens, Allianz, Baye und Deutsche Bank vertreten.
Interessanterweise wehrten sich nur wenige Tage nach den Enthüllungen mehrere Staaten, darunter Luxemburg, Österreich, Irland, Großbritannien, Malta und Zypern, gegen schärfere Bestimmungen der EU für die Offenlegung der tatsächlichen Eigentümer von Trusts und Stiftungen. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt!
Am 04. November 2022, 5 Jahre nach dem Skandal, berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass der deutsche Fiskus durch die geleakten Daten "ganz schön viel Geld eingenommen" habe. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies auch für die Steuerbehörden anderer betroffener Länder zutrifft.
Oktober 2018 - Die CumEx-Files
Ein knappes Jahr später folgte der Finanzskandal, der, aufgrund der sehr hohen Summen und der vermeintlich ebenso hohen kriminellen Energie der Beteiligten, im Bewusstsein zumindest der deutschen Bevölkerung den tiefsten Eindruck hinterließ und der bis heute nachwirkt.
Kurz gesagt ging und, zumindest in strafrechtlicher Hinsicht, geht es dabei um die Hinterziehung von Kapitalertragsteuer auf Dividendenausschüttungen von Unternehmen in gewaltigem Umfang durch ein Netzwerk aus Aktienhändlern, Steuerberatern, Bankern und Anwälten. Die Beteiligten schoben dabei Aktienpakete innerhalb sehr kurzer Zeit hin und her, mit dem Ziel, Kapitalertragsteuer vom Staat zurückzuerhalten. Auf diese Weise wurde tatsächlich erreicht, dass die Steuer nicht nur zurückerstattet wurde, sondern oft sogar mehrfach und teilweise sogar an Beteiligte, die gar keine Steuern gezahlt hatten.
Enthüllt wurde der Steuerhinterziehungs-Skandal nach langer Recherche durch CORRECTIV in Zusammenarbeit mit weiteren Medien aus einem Dutzend Ländern schließlich am 18.10.2018. Pikanterweise waren die Cum-Ex-Geschäfte, wie inzwischen feststeht, dem Bundesfinanzministerium seit spätestens 2002 bekannt!
CORRECTIV nennt den Skandal auf seiner Webseite den "größten Steuerraub der Geschichte Europas". Nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn man bedenkt, dass laut CORRECTIV Steuerzahler in elf europäischen Ländern um mindestens 55,2 Milliarden Euro betrogen wurden. Allein der deutsche Staat wurde demnach nachweislich um mindestens 31,8 Milliarden Euro betrogen.
Politisch brisant ist dieser Skandal noch heute auch deshalb, weil der Verdacht besteht, dass der aktuelle deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz darin verwickelt sein könnte. So meldete der NDR am 21.01.2023, dass Bundeskanzler Scholz erneut vor dem Cum-Ex-Ausschuss aussagen muss. Und die Frankfurter Rundschau fragte am 20.02.2023 ganz offen "Ist Kanzler Olaf Scholz in den größten Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik verstrickt?", um gleich im nächsten Satz die Antwort zu geben: "Ja, meint der Enthüllungsjournalist Oliver Schröm."
Februar 2021 - OpenLux
Nach zweieinhalb Jahren ohne neue Enthüllungen präsentierten Süddeutsche Zeitung, Le Monde, Miami Herald, Organized Crime and Corruption Reporting Project und weitere journalistische Partner in Luxemburg ihre Rechercheergebnisse zur Steuervermeidungspraxis in Europa auf Grundlage der der dafür begünstigenden Gesetzgebung und Finanzpolitik Luxemburgs.
Die Journalisten erhielten von Luxemburgs Online-Unternehmensregister-Plattformen etwa drei Millionen Dokumente und Aufzeichnungen über mehr als 260.000 Unternehmen.
Eine Analyse der Daten ergab, dass rund 80 Prozent der privaten Investmentfonds in Luxemburg nicht deklarieren, wer von diesen Fonds profitiert. Zudem legten über 15 Prozent der Fonds den US-amerikanischen und luxemburgischen Behörden widersprüchliche Informationen über ihre wirtschaftlichen Eigentümer vor. Daraus folgt, dass nicht wenige der 15.000 in Luxemburg ansässigen Fonds ihre Eigentümer nicht wie gesetzlich vorgeschrieben identifiziert haben. Die Luxemburger Investmentfonds halten ein Vermögen von mehr als 4,5 Billionen Euro!
Auch die steuerliche Heimat in Luxemburg macht sich bezahlt. So beschrieb die Süddeutsche Zeitung mehrere Methoden zur Steuervermeidung. Eine davon funktioniert folgendermaßen: Viele Immobilien in Deutschland sind im Besitz luxemburgischer Firmen, so dass die Mieteinnahmen in Luxemburg besteuert werden. Um nun Steuern in Luxemburg zu vermeiden, holen sich diese Firmen von einem anderen Unternehmen Kredite, weil das die Steuerlast in Luxemburg deutlich minimiert. Die nun eigentlich anfallenden Zinserträge für das kreditgebende Unternehmen werden dann minimiert, indem sich dieses wiederum einen Kredit von einem Unternehmen aus einem Steuerparadies mit Null Steuern geben lässt. Dass sich alle beteiligten Unternehmen in einer solchen Kette in einer Hand befinden, sollte niemanden überraschen.
Die OpenLux-Enthüllungen hatten tatsächlich keinerlei Auswirkungen, obwohl die luxemburger Gesetzgebung, so Experten, der EU jährlich einen Schaden von rund 10 Milliarden Euro zufügt. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit bezeichnete Luxemburg folglich als "Drehscheibe für schmutziges Geld und unversteuerte Gewinne".
Juni 2021 - Der IRS Tax Data-Leak
Wie wenig Steuern Superreiche jenseits des großen Teichs tatsächlich bezahlen, erfuhr die staunende Öffentlichkeit dann Mitte 2021. Die gemeinnützige US-Nachrichtenredaktion ProPublica, die Fälle von Machtmissbrauch untersucht, erhielt nach eigenen Angaben ein umfangreiches Verzeichnis geheimer Daten der US-Steuerbehörde IRS über die Steuererklärungen Tausender der reichsten Menschen der USA über 15 Jahre hinweg.
Die Ergebnisse veröffentlichte ProPublica auf seiner Website. Der Höchstsatz bei der Einkommensteuer lag 2021, dem Jahr der Veröffentlichung, in den USA bei 37 % und galt für Ehepaare ab einem Einkommen von über US$ 628.300. Viele der bekannten Multi-Milliardäre schafften es jedoch, in so manchen Jahren überhaupt keine Einkommensteuer zu bezahlen.
Da dies aber für die Öffentlichkeit, zumal in den USA, keine allzu große Überraschung und auch kein echtes Problem darstellte, war das Interesse eher gering. Passend dazu fokussierte sich die National Taxpayers Union Foundation (NTUF), die nationale Stiftung des Steuerzahlerbundes, in einem Artikel vom 21. Juli desselben Jahres mehr für die Herkunft der geleakten Daten und wie man dies künftig vermeiden könne als für die Steuersätze der Multi-Milliardäre. Umgekehrt machten die Betroffenen gegen die IRS mobil. So verklagte der Hedge Fonds Manager und Milliardär Ken Griffin, wie die Zeitung USA TODAY berichtete, die US-Steuerbehörde und das US-Finanzministerium, wobei er sich auf die "unrechtmäßige Offenlegung" seiner Steuerdaten berief. Andere Länder, andere Sitten.
Oktober 2021 - Die Pandora Papers
Die Veröffentlichung des bis dato weltweit umfangreichsten Datenlecks erfolgte im Schatten der Corona-Maßnahmen und erhielt möglicherweise deshalb nicht die öffentliche Aufmerksamkeit, die ihm aufgrund seiner Tragweite zugestanden hätte.
2,94 Terabyte Daten mit 11,9 Millionen Dokumenten wurden von einem Whistleblower wieder einmal dem Journalistennetzwerk ICIJ zugespielt. Betroffen waren 29.000 Konten bei 14 Offshore-Dienstleistern und die Ergebnisse ähnelten denen der Panama-Papers. Darüber berichtete die Süddeutsche Zeitung am 04.11.2021 in einem Artikel.
Demnach waren wieder überaus prominente Politiker in fragewürdige, wenn auch nicht immer illegale Geschäfte involviert. Darunter der damalige tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš, der sich über Briefkastenfirmen ein Schloss in Südfrankreich namens "Chateau Bigaud" kaufte. Er wurde wenig später abgewählt. Und auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besitzt eine Briefkastenfirma, wie die Dokumente belegen. Spannend ist auch der Kauf einer Briefkastenfirma durch den britischen Ex-Premierminister Tonz Blair. Wie sich herausstellte gehörte dieser Briefkastenfirma ein 6,5 Millionen Pfund teures Bürogebäudes in bester Londoner Innenstadtlage. Glück muss man haben.
Aber natürlich fehlten auch andere "Promis" nicht. So taucht in den Pandora Papers ein Potpourri von Namen aus der bunten Welt des Glamours auf, wie z.B. Claudia Schiffer, Pep Guardiola, Ringo Starr, Shakira oder Julio Iglesias. Erfahre Sie hier mehr zu Shakira: Prozessbeginn wegen Steuerhinterziehung in Spanien angesetzt für November 2023
Dennoch: Der Deutschlandfunk fasste es treffend zusammen, als er am 23.10.2021 titelte: "Pandora Papers - Ein riesiger Skandal ohne Aufschrei" und lamentierte, dass es merkwürdig still um die Pandora-Papers sei und sich auch kaum etwas getan habe - weder medial, noch politisch, noch in irgendeiner anderen Hinsicht.
Vorläufiges Fazit
Kein Buchmacher in London würde wohl eine Wette darauf entgegennehmen, dass die Pandora-Papers nicht das letzte Datenleck in der Finanzwelt gewesen sind. Inwieweit die Politik den Versuch der Steuervermeidung in einer sich im Steuerwettbewerb befindlichen Welt überhaupt beherrschen kann, ist fraglich. Dem einfachen Bürger sind ohnehin die Hände gebunden. Und die wirklich Vermögenden haben so viele Optionen, dass sie im Wettbewerb der Länder um deren Steuern eben stets den günstigsten Anbieter auswählen können. Das mag man gerecht finden oder nicht. Ändern wird sich daran auf absehbare Zeit vermutlich nichts.
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