EU Anti Tax Avoidance Directive (ATAD I & ATAD II): Deutsches Außensteuerrecht wird EU-weit eingeführt

Mit der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU wurden EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, mit Wirkung zum 01.01.2020 Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung nach weitgehend deutschem Vorbild einzuführen oder anzupassen.

Es hat schon seine Vorteile, wenn man die größte Volkswirtschaft in einem Staatenbund wie der EU ist. Mehr als kleinere Staaten hat man die Möglichkeit, Gesetzesinitiativen entscheidend zu beeinflussen (oder deren Ausgang zu diktieren). Ein klassisches Beispiel dazu ist die EU Tax Avoidance Directive (ATAD), zu Deutsch EU Anti-Steuervermeidungsrichtlinie. Damit ist es der deutschen Bundesregierung de facto gelungen, mit dankbarer Unterstützung aus Ländern wie Frankreichs und Italien, das strenge deutsche Außensteuerrecht EU-weit einzuführen und noch weiter zu verschärfen.

Wie ist die ATAD entstanden

Steuerpflichtige sind heutzutage mobiler denn je und Vermögenswerte können ohne großen Aufwand ins Ausland überwiesen werden. Da Steuervermeidung nach deutschem Recht legal ist, werden solche Praktiken für Steuerpflichtige immer attraktiver. Einige dieser Praktiken haben jedoch zu einem schädlichen Steuerwettbewerb geführt, in der Steuerpflichtige an Investitionen ins Ausland gehindert werden und die gilt es laut der OECD zu unterbinden.

Durch die voranschreitende Globalisierung sind auch vollkommen neue Arbeitsweisen möglich, die vorher nicht existiert haben. Die Digitalisierung schafft immer wieder neue Möglichkeiten der Steueroptimierung. Die Steuerregelungen, die derzeit bestehen, hängen nach Meinung unserer Regierungen diesen neuen Möglichkeiten hinterher und müssen an die derzeitige Realität angepasst werden.

Des weiteren besteht ein unausgeglichenes Verhältnis in der Steuerpyramide in vielen Ländern. In Deutschland z.B. haben die top 10% der Steuerzahler einen Anteil von fast 60% am gesamten Lohn- und Einkommensteueraufkommen. Durch die Steuerprogression werden hohe Einkommen stärker besteuert als niedrige. Infolgedessen zieht es viele viel verdienende Bürger ins Ausland, um den hohen Steuern zu entkommen. Diesem Trend gilt es entgegenzuwirken.

Vor diesem Hintergrund hat der Europäische Rat hat am 12. Juli 2016 Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken (Anti-Tax-Avoidance Directive – ATAD I) vorgelegt, die größtenteils multinationale Unternehmen und alle Steuerpflichtigen, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten körperschaftsteuerpflichtig sind betreffen. Die ATAD I lässt sich in vier verschiedene Maßnahmen unterteilen. Zu den Richtlinien gehören:

  1. eine Zinsschranke (Art. 4 ATAD)

  2. Regelungen zur Entstrickungsbesteuerung & Wegzugsbesteuerung (Art. 5 ATAD)

  3. Allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschriften (Art. 6 ATAD)

  4. Hinzurechnungsbesteuerung (Art. 7 und 8 ATAD)

Des Weiteren wurde unter dem Titel “DAC 6” eine EU-weite Richtlinie für Meldepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen festgehalten. Sie verpflichten z.B. Steuerberater und Rechtsanwälte dazu, aggressive Maßnahmen von Mandanten zur Steuerreduzierung zu melden. Mehr über DAC 6 finden Sie hier.

Diese Vorschriften stimmen größtenteils mit dem OECD-Aktionsplan überein, der sich gegen die Erosion von Steuerbemessungsgrundlagen und das grenzüberschreitende Verschieben von Gewinnen (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) richtet.

Mit dem OECD-Aktionsplan soll es multinationalen Unternehmen schwieriger gemacht werden, Steuerabgaben zu minimieren und Schlupflöcher zu finden. Da es sich bei den BEPS-Aktionspunkten jedoch größtenteils um reine Empfehlungen, statt flächendeckende Regelungen handelt (ausgenommen sind die Aktionspunkte 5, 6, 13 und 14) beschlossen die Mitgliedsstaaten der ECOFIN (Rat für Wirtschaft und Finanzen) am 17. Juni 2016 Missbrauchsverhinderungsmaßnahmen festzulegen, die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, die Maßnahmen der ATAD einzuhalten.

In Deutschland bestehen deshalb viele der in der ATAD I enthaltenen Richtlinien bereits, einige Punkte wurden jedoch noch nicht ausgeführt. Alle Mitgliedsstaaten der EU müssen die Richtlinien der ATAD in nationales Gesetz überführen. Die Steuerbemessungspraktiken werden vor allem auf die Abläufe innerhalb des Binnenmarktes großen Einfluss nehmen.

Am 29. Mai 2017 wurden weitere Richtlinien zur ATAD I hinzugefügt, die sich mit der Vermeidung hybrider Gestaltungen mit Drittländern (Art. 9 ATAD) befassen. Ziel dieser Richtlinie ist es, doppelte Betriebsausgabenabzüge durch doppelansässige Gesellschaften zu vermeiden. Die Doppelansässigkeit wir mit der Umsetzung der ATAD II nicht mehr anerkannt und einer der jeweiligen Mitgliedsstaaten muss den Abzug verweigern.

Der Umsetzungsbedarf der ATAD II ist in Deutschland deutlich höher als der der ATAD I, da es sich hierbei um Regelungen handelt, die auch für deutsche Unternehmen relativ neu sind.

Es ist des weiteren wichtig festzuhalten, dass es sich bei der ATAD I und II um eine „de minimis“- Richtlinie handelt, das heißt Mitgliedsstaaten können strengere Regeln auf nationaler Ebene festlegen.

Die Umsetzung der Maßnahmen der ATAD I musste bis zum 31, Dezember 2018 erfolgen und Teile der ATAD II mussten bis zum 31. Dezember 2019 umgesetzt werden. Das Inkrafttreten der weiteren ATAD II Richtlinien wurde zum 1. Januar 2021 gefordert, hing jedoch zunächst weitestgehend von weiteren Gesetzgebungsverfahren ab, da noch kein politischer Konsens zum Entwurf erreicht wurde. Am 25. Juni 2021 einigte sich der Bundesrat schließlich final auf ein Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie. Dieses wurde unter dem Titel “ATAD-Umsetzungsgesetz” verabschiedet.

Die Zinsschranke

Die Zinsschranke wurden von den Mitgliedsstaaten am 31. Dezember 2018 im Gesetz aufgenommen und trat am 01. Januar 2019 in Kraft. Staaten, die bereits über BEPS-Vorschriften mit einer Richtlinie zur Zinsschranken verfügen, können mit der Überführung bis zum 01. Januar 2024 warten.

Die Zinsschranke soll den Abzug von überschüssigen Fremdkapitalkosten auf maximal 30% des Ergebnisses des Steuerpflichtigen vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization ) beschränken. Die Zinsschranke wurde mit dem Ziel, überhöhte Zinszahlungen einzudämmen, eingeführt. Fremdfinanzierte Unternehmen können somit keine Senkung der Steuerlast mit Hilfe von überhöhten Fremdkapitalkosten durch steuerliche Gewinne erzielen.

Die Fremdkapitalkosten setzen sich nicht nur aus den Zinsen für interne Konzerndarlehen zusammen, sondern auch jegliche Zinsanwendungen, die national oder grenzüberschreitend geleistet wurden.

Beispiel: Wenn ein Unternehmen im Wirtschaftsjahr 2019 über ein steuerliches EBITDA in Höhe von 20 Millionen Euro verfügt, beträgt der Zinsaufwand 4 Millionen Euro. Die Ausnahme von der Zinsschranke ist hier also nicht anwendbar.

30% des EBITDA resultieren in 6 Millionen Euro. Die Zinsaufwendungen sind vollständig abziehbar und die EBITDA- Vortrag beträgt 2 Millionen Euro.

Regelungen zur Entstrickungsbesteuerung & Wegzugsbesteuerung

Die Entstrickungsbesteuerung betrifft juristische Personen, die Wirtschaftsgüter, wie z.B. Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ins Ausland verschieben. Von der Wegzugsteuer sind natürliche Personen betroffen, die ins Ausland umziehen.

Entstrickungsbesteuerung

Nach Artikel 5 ATAD werden die Mitgliedstaaten zur Aufdeckung und (auf Antrag ratierlichen) Besteuerung stiller Reserven bei der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, der Verlagerung von Betrieben oder dem Wegzug von Körperschaften (sog. Entstrickungsbesteuerung) verpflichtet.

Auch dies ist bereits in Deutschland gesetzlich verankert. So ist es beispielsweise nicht möglich, einen Geschäftsbereich einer deutschen GmbH steuerneutral ins Ausland zu verlagern. Zunächst muss ein fiktiver Veräußerungsgewinn nach Marktwert berechnet werden, welcher dann in Deutschland zu versteuern ist.

Wegzugsteuer

Die Wegzugsbesteuerung gilt für natürliche Personen und sieht vor, dass alle Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft enthaltenen stillen Reserven bei Wegzug des Gesellschafters ins Ausland im Herkunftsland besteuert werden müssen. In Deutschland wird die Wegzugsbesteuerung bereits streng reguliert, dies soll nun auch in allen anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden.

Das Besteuerungsrecht für Veräußerungserlöse aus dem Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften steht normalerweise dem Staat zu, in dem der Gesellschafter wohnt und Steuern zahlt. Zieht dieser also ins Ausland, verliert das Herkunftsland das Besteuerungsrecht an solchen Erträgen. Dies soll mit der Wegzugsteuer ausgeglichen werden.

Wenn Gesellschafter innerhalb der EU umziehen, werden die festgesetzte Steuer gestundet und sie bleiben unter Einhaltung gewisser Meldepflichten steuerlich unbelastet. Ein weiterer Umzug in ein Land außerhalb der EU oder ein Verkauf der Anteile löst die Fälligkeit der Steuer aus.

In Deutschland wird die Wegzugsteuer weiter verschärft. Fortan wird nicht mehr zwischen einem Wegzug in ein EU-Land oder Drittland unterschieden. Die Stundungsregelungen werden vereinheitlicht und durch die Wegzugsbesteuerung wird dem Gesellschafter eine fiktive Veräußerung unterstellt deren Gewinne in den Anteilen besteuert werden müssen.

Die Mobilität und Internationalisierung von Inhaberfamilien wird dadurch stark eingeschränkt. Bei einer Rückkehr innerhalb von 12 Jahren kann diese Steuer jedoch entfallen.

Beispiel: Hat ein Unternehmen ein Unternehmenswert 1,2 Millionen Euro und Anschaffungskosten 200.000 Euro ergibt sich ein Verkaufserlös von 1 Million Euro. 60% vom Verkaufserlös unterliegen der Einkommensteuer, also 600.000 Euro.

Bei einem Umzug in ein EU Land wird bis zur tatsächlichen Veräußerung der Anteile eine zinslose Stundung der Steuer gewährt.

Allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschriften

Mit Inkrafttreten der allgemeinen Missbrauchsvermeidungsvorschriften sollen missbräuchliche Steuersparmodelle unterbunden werden. Unter einem Steuervorteil, der missbräuchlich erzielt wurde, versteht man zum Beispiel Steuerabsprachen und Arrangements, die zu einem viel geringerem Einkommen oder Vermögenszuwachs führen, um an anfallenden Steuern zu sparen. Wenn das einzige Ziel dieser Arrangements ein Steuervorteil ist, können sie als missbräuchlich angesehen werden.

2004 wurde bereits ein Gesetzt zur Offenlegung von Steuersparmodellen (DOTAS = Disclosure of Tax Avoidance Schemes) erstellt, in dem die Benutzer oder Promoter von Steuersparmodellen ihre Informationen offenlegen mussten. Dies muss innerhalb von fünf Tagen nach Vermarktung oder Nutzung des Modells geschehen. Die Modelle werden dann vom Finanzamt registriert und mit einer Registrierungsnummer ausgezeichnet.

Die Registrierungsnummer muss der Promoter an alle Auftraggeber weiterleiten und diese sind dazu verpflichtet, die Nummer in ihre Steuererklärung aufzunehmen. Kommt es zu einer Sperrung des Modells, muss nicht nur die unterbezahlte Steuer bezahlt werden, sondern es kann außerdem auch eine Gebühr erhoben werden.

Diese Vorschriften wurden im Dezember 2010 in den Allgemeinen Vorschriften zur Bekämpfung der Steuerumgehung (GAAR = General Anti-Avoidance Rules) noch einmal spezifischer gemacht. Die Richtlinien in der ATAD sollen einen größeren Anwendungsbereich und unterschiedliche Szenarien abdecken und sind deswegen flächendeckender als traditionelle Vorschriften zur Bekämpfung der Steuerumgehung.

Hinzurechnungsbesteuerung

Die Hinzurechnungsbesteuerung (Englisch = CFC controlled foreign corporation rules) bezeichnet die Besteuerung von Einkünften einer Tochtergesellschaft beim inländischen Gesellschafter. Mit den Aktionsplänen der BESP und der ATAD-Richtlinie soll es global agierenden Unternehmen schwieriger gemacht werden, Gewinne zu verlagern und dadurch steuerliche Vorteile zu erzielen.

Steuerpflichtige werden demnach nicht mehr in der Lage sein, ihre ausländischen Einkünfte auf eine steuerrechtsfähige Gesellschaft in einem Niedrigsteuerland zu übertragen und dadurch an Steuern zu sparen. Die in der ATAD festgesetzte Grenze der Niedrigbesteuerung liegt derzeit bei 25%, könnte aber in Zukunft herabgesenkt werden.

Neu bei den Richtlinien zur Hinzurechnungsbesteuerung ist das „Beherrschungskonzept“, das nicht nur für Unternehmen, sondern auch natürliche Personen gilt. Ein Inländer beherrscht eine ausländische Gesellschaft, wenn der Inländer allein oder zusammen mit anderen Personen mehr als die Hälfte der Anteile, Stimmrechte, des Kapitals oder des Gewinnanspruchs zuzurechnen sind.

Vor der Einführung der ATAD reichte eine Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft von mehr als 50% aus. Mit der Einführung der ATAD kann es auch bei einer Beteiligung von unter 50% an einer ausländischen Gesellschaft zu einer Hinzurechnungsbesteuerung kommen.

Der Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung wird durch die Richtlinien der ATAD noch weiter ausgeweitet und viele Unternehmen fordern eine Senkung der Niedrigbesteuerung von 25% zu 15%.

Beispiel: Das deutsche Unternehmen A ist zu 30% an der ausländischen Firma B beteiligt. An dem deutschen Unternehmen A ist das belgische Unternehmen C zu 100% beteiligt. Unternehmen C ist zu 21% an Firma B beteiligt. Im aktuellen Recht werden die Voraussetzungen der §7Abs.1AStG nicht erfüllt. Jedoch werden die Voraussetzungen der §7Abs.1AStG-E erfüllt, da die Beteiligung des Unternehmens C an der Firma B bei der Ermittlung der Beherrschung der Firma B durch das Unternehmen A zu berücksichtigen wäre: 30% + 21% = 50%.

Hybride Gestaltungen

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann es aufgrund der unterschiedlichen Behandlungen zu ungleichen steuerlichen Erfassungen kommen. Diese zwischenstaatlichen Qualifikationskonflikten nutzen einige Steuerpflichtige aus, um Steuervorteile zu erzielen.

Diese grenzüberschreitenden Sachverhalte und daraus resultierende Steuerdiskrepanzen können in zwei Arten unterteilt werden: Abzug ohne korrespondierende Einnahmen (D/NI = Deduction/Non-Inclusion-Inkongruenzen) und doppelter Abzug (DD = Double-Deduction-Inkongruenzen).

Beim Abzug ohne korrespondierende Einnahmen sind Aufwendungen in einem Staat steuerlich abzugsfähig, während die korrespondierenden Erträge in keinem anderen Land steuerlich erfasst werden. Beim doppelten Abzug sind die Aufwendungen in mehr als einem Staat abzugsfähig.

Um diese Steuerdiskrepanzen zu neutralisieren, wurden in der ATAD II Maßnahmen festlegt, die in den Mitgliedsstaaten flächendeckend umzusetzen sind. Fortan können beim Abzug ohne korrespondierende Einnahmen der Abzug der Aufwendungen im Inland verweigert werden oder werden von der inländischen Körperschaft erfasst und versteuert.

Beim doppelten Abzug von Aufwendungen dürfen Aufwendungen bei der inländischen Körperschaft nicht abgezogen oder sogar verweigert werden.

Beispiel: Unternehmen A gibt hybride Anleihen an Unternehmen B aus. Die Anleihe wird so ausgestaltet, dass sie gemäß den Rechtsvorschriften von Land A als Fremdkapital qualifiziert wird. Land A lässt einen Betriebsausgabenabzug zu. Gemäß den Vorschriften von Land B ist die Zahlung jedoch als Vergütung auf Eigenkapital zu qualifizieren und unterliegt in Land B keiner Besteuerung.

Auswirkungen der ATAD auf die Mitgliedsstaaten

Die in der ATAD I und II festgehaltenen Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken werden sich auf die EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich auswirken, da einige Staaten bereits den von der ATAD vorgeschriebenen Mindeststandard in ihren Gesetzen verankert haben.

Für andere Mitgliedsstaaten, vor allem für die sogenannten Steueroasen oder Niedrigsteuerländer, bringt die ATAD I und II große Veränderungen. Im Nachfolgenden werden wir diese Veränderungen analysieren und Prognosen erstellen.

Großbritannien

Großbritannien stellt ein besonders interessantes Beispiel dar, wenn es um die Einführung der ATAD geht, da das Vereinigte Königreich am 23. Juni 2016 entschieden hat, aus der EU auszutreten. Ein Artikel der Zeitung „The New European“ spekulierte 2018, ob die Einführung der Steuervermeidungspraktiken auf EU-Ebene vielleicht ein Grund für Nigel Farage (Mitgründer der Brexit Partei) + Jacob Rees-Mogg (Präsident des britischen Unterhauses) ist, um aus der EU so schnell wie möglich auszutreten.

Einige Brexiters träumen nämlich davon, dass das Vereinigte Königreich zu einer Steueroase für die Wohlhabenden werden könnte und fürchten, das dies mit der Einführung der ATAD verhindert wird.

Allerdings birgt die Idee, das Vereinigte Königreich zu einem Niedrigsteuerstaat zu machen auch einige Gefahren mit sich, da die Ungleichheit weiter steigen würde und öffentliche Dienste in ihrer Existenz bedroht wären. Gerade dies soll durch die ATAD verhindert werden.

Welchen Einfluss hat die ATAD auf Großbritannien also wirklich?

Zunächst sollte man verstehen, dass die meisten Richtlinien der ATAD schon im Gesetz des Vereinigten Königreichs vorhanden sind. Zu den Richtlinien, die bereits existieren gehören: Allgemeine Missbrauchsvermeidunsvorschriften, Regelungen zur Wegzugsbesteuerung und die Hinzurechnungsbesteuerung.

Neu sind also lediglich die Zinsschranke und die hybride Gestaltung. Auch wenn die EU beschließt, dass nicht alle Richtlinien in Großbritannien dem EU-Standard entsprechend umgesetzt wurden, werden Veränderungen der Gesetze durch ATAD laut Experten eher gering ausfallen und sollten vor allem kein Grund dafür sein, schneller aus der EU austreten zu wollen.

Da sich das Vereinigte Königreich momentan in einem Übergangszeitraum bis zum Austritt befindet, gelten weiterhin alle Verwaltungsstrukturen der EU und damit wird es weiterhin wie ein Mitgliedsstaat behandelt. Selbst nach dem Austritt bleibt das Vereinigte Königreich ein Mitglied der OECD.

Irland

Irland hat die meisten Maßnahmen der BESP-Richtlinien bereits übernommen, die einzig neuen Punkte sind die Hinzurechnungsbesteuerung und die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung. Das Finanzamt in Irland arbeitet eng mit Interessenvertreter zusammen, um die neuen Richtlinien in das irische Steuergesetz zu überführen.

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Die neuen Richtlinien werden sich vor allem auf „niedrig besteuerte“ ausländische Tochtergesellschaften irischer Unternehmen auswirken. Da Irland über einen niedrigen Steuersatz für Handelsgewinne verfügt, ist es möglich, dass viele irische Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen in anderen Mitgliedsstaaten der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Multinationale Konzerne mit irischen Tochterunternehmen, die direkt oder indirekt von Unternehmen in anderen EU-Mitgliedstaaten gehalten werden, müssen nun prüfen, ob deren Einkommen nach den neuen Richtlinien besteuert werden muss oder nicht.

Zusätzlich sollten inländische und multinationale Gruppen mit irischen Niederlassungen die derzeitigen Finanzierungsstrukturen überprüfen und Unternehmen identifizieren, die die 30% Grenze in Hinsicht auf die Zinsschranke überschreiten.

Malta

Im Dezember 2018 wurden die Richtlinien der ATAD I in das Maltesische Gesetz überführt. Für Malta bedeuten die neuen Richtlinien große Veränderungen in deren Steuergesetz, da viele der Richtlinien bisher noch nicht in dem Ausmaß existieren.

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Malta verfügte zwar über einige grundsätzliche Regeln zur Zinsbeschränkung, die Richtlinien der ATAD und insbesondere die Zinsschranke werden jedoch zu Veränderungen des Gesetzes führen. Auch neu sind die Regeln Hinzurechnungsbesteuerung und Regelungen zur Wegzugsbesteuerung. Die allgemeinen Missbrauchsvermeidungsvorschriften sind bereits in Artikel 51 des Maltesischen Einkommensteuergesetz vorhanden und werden daher keine großen Veränderungen mit sich bringen.

Malta ist in den letzten Jahren wirtschaftlich gewachsen und die Arbeitslosenquote geht kontinuierlich nach unten. Einer der Gründe dafür ist das inländische Steuersystem und die über 70000 Unternehmen, die in Malta registriert sind (und die Zahl steigt auch weiterhin stetig).

Malta gilt schon seit längerem als ein attraktiver Ort für Unternehmen und Wohlhabende, da es über eine „remittance-based“-Besteuerung verfügt, von der viele ausländische Einwohner profitieren können. Ausländische Einwohnern wird die Möglichkeit eingeräumt, eine Steuerresidenz in Malta anzulegen, damit sie nur für Einkommen besteuert werden, das intern verdient wird.

Mit der Einführung der ATAD könnte das wirtschaftliche Wachstum Maltas und die regelmäßigen Inlandsinvestitionen beeinflusst werden, was nicht nur eine Sorge der Maltesischen Regierung ist, sondern auch der dort ansässigen Unternehmen, internationale Drittgremien und anderen EU-Staaten.

Letztendlich sollte jedoch festgehaltenen werden, das es sich bei ATAD nicht um ein komplett neues Konzept in Europa handelt und die OECD auch vorher schon Richtlinien erlassen hat, die Steuervermeidungspraktiken einschränken sollten. Diese haben sich bisher auf Malta in keiner Weise negativ ausgewirkt, stattdessen konnte Malta sogar in den letzten Jahren einen Umsatzanstieg verzeichnen.

Die Richtlinien der ATAD werden einen großen Einfluss auf sogenannte „Briefkastenfirmen“ (eine Firma, die zur Steuerersparnis einen Sitz im Ausland hat und dort meist nur über einen Briefkasten verfügt) haben, allerdings betrifft dies nicht nur Malta, sondern auch andere EU-Länder. Personen, die nur aus Gründen des Steuervermeidung nach Malta umziehen, werden nicht mehr in der Lage sein, von den steuerlichen Vorteilen zu profitieren.

Vielleicht wird sogar das örtliche Steuersystem durch die Einführung der ATAD sogar durchschaubarer und zurechnungsfähiger für Steuerpflichtige und dadurch sogar noch attraktiver.

Zypern

Auch Zypern ist bei Steuerpflichtigen oder Unternehmen, die so wenig Steuern wie möglich bezahlen wollen, eine beliebte Wahl. Einige behaupten sogar, dass Zypern steuerlich sogar noch mehr Vorteile zu bieten hat als Malta.

Im Vergleich zu Malta stellt Zypern eine totale Steuerfreiheit für Einkommen über Dividenden und Zinsen zur Verfügung, national sowie international. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Einnahmen im Land selbst oder außerhalb verwendet werden. Diese Freiheiten wurden sogar auf Gewinne an der Aktienbörse erweitert, weswegen Zypern immer attraktiver für Händler und Investoren wird.

In Zypern wurden die ersten drei Punkte der ATAD: die Zinsschranke, die Hinzurechnungsbesteuerung und allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschriften am 1. Januar 2019 eingeführt. Hinzu kamen am 1. Januar 2020 die Wegzugsbesteuerung und die Regelungen zur hybriden Gestaltung. Ähnlich wie in Malta werden Steuervermeidungspraktiken für Unternehmen und Personen dadurch immer schwieriger umzusetzen.

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